Wer sucht, der findet
Wer sucht, der findet

Wer sucht, der findet

Lesedauer 7 Minuten

Heute hatte ich ziemlich Heimweh. Ich mein, was hab ich mir auch davon erwartet, wenn ich mich mit der Ukulele auf unser Dach setze und anfange meine ewig gleichen Lieder zu spielen. Aber das passt schon. Manchmal muss man das vermissen, was man gerade nicht hat um zu wissen, was man eigentlich wirklich vermisst.

Ich vermisse es, mitten in der Nacht auf der Johannesruh zu sitzen, über Wien zu schauen und “House of the rising sun” zu spielen. Ich vermisse es meine Freunde regelmäßig zu sehen und gemeinsam irgendeinen Blödsinn zu machen. Ich vermisse es Zeit in meiner Beziehung zu verbringen. Und meine Familie vermisse ich ganz schön. Und das ist auch okay so. Weil ich habe das große Glück, dass ich nach einem Jahr wieder nach Hause kommen darf und das hoffentlich alles wiederfinden werde. Darüber bin ich heute sehr dankbar. Und mit Dankbarkeit im Bauch ist das Heimweh schon gleich nicht mehr so schlimm.

Viel Zeit bleibt mir sowieso nicht zum grübelig sein, denn um 11:10 spaziert Edwin auf das Gelände. Wir haben uns gestern verabredet, dass wir heute einen kleinen Ausflug machen. Gesagt getan. Ich packe mal alles ein, was mir als praktisch erscheint; Drohne, Wasser, NoBite. Hätte mir jemand gesagt, was mich da heute erwartet, ich hätte es ihm oder ihr sowieso nicht geglaubt.

Wir machen uns also auf den Weg. zuerst ein Stück durch Mindo, dann biegen wir in richtung dem Viertel ab, wo die eher wohlhabenderen Personen wohnen. Schmarrn. Da ist doch tatsächlich einfach ein Tor mitten auf der Straße wo wir hingehen wollten. Wir sehen uns ein Bisschen um und finden ein kleines Informationshäuschen, da hier Grundstücke zu verkaufen sind. Nach einer kurzen Plauderei (Wir sagen, wir wollen unsere Chefin besuchen, hier hier nämlich tatsächlich wohnt) lässt sie uns passieren und wir finden uns inmitten von relativ modernen Naubauten wieder. Gut die Hälfte davon ist noch im Bau, aber man sieht. Die Leute hier haben Geld. Jeder will eben ein Stück vom Paradies haben. Aber ob das unbedingt so sein muss, frage ich mich schon.

Edwin zeigt uns den Weg, den er schon einmal gegangen ist. Verdammt. Da steht ein Zaun. Uns bleiben eigentlich nur zwei Optionen. Umdrehen oder Fliegen. In letzterem sehen wir uns dann doch leider zu ungeübt. Bleibt also nurmehr umdrehen.

Aber aufgegeben haben wir noch nicht. Wir biegen zweimal ab und marschieren einfach eine andere Straße entlang. Siehe da. Plötzlich stehen wir auf der anderen Seite des Zauns. Was für einen Sinn der Zaun dann genau hat verstehen wir zwar nicht, aber uns solls Recht sein.

Weiter gehts die Straße entlang. Es fühlt sich an, als würden wir wohin kommen. Die Straße wird enger und wir stehen vor einem ziemlich massiven, offenen Tor. Da wollen wir hinein. Die Frage ist nur, ob wir später auch wieder hinaus kommen. Naja. Wird schon nichts passieren und im schlimmsten Fall klettern wir drüber. Und schon gehts weiter. Tatsächlich hätten wir uns einen etwas regenfreieren Tag aussuchen können. Das ganze durchs feuchte Gras spazieren hindert meine Hose etwas am trockensein.

Plötzlich endet die “Straße” in einem kleinen Platz. Von hier weg geht nurmehr ein kleiner Trampelpfad in den Wald. Ist uns das zu steil und wir drehen um? Nein! Los geht’s, ich voran und die beiden hinterher.

–– Kleiner Hinweis am Rande. Es könnte sein, dass der folgende Abschnitt zur leichten Sorgenbildung beiträgt. Daher bitte ich Mütter oder ähnlich erregbare Personen diesen Teil mit Vorsicht zu genießen oder gar von einer anderen Person zuerst lesen und dann nacherzählen zu lassen ––

Weiter im Text. Unser Weg führt uns trampelpfadmäßig einen Bach entlang. Wobei entlang vielleicht das falsche Wort dafür ist. Wir werden den Bach im Folgenden ungefähr 20 Mal kreuzen. Das wissen wir zu dem Zeitpunkt nur noch nicht.

Urwald-Feeling. Von rechts und links hängen Autoreifengroße Blätter in Richtung unseres Trampelpfades und auf den Bäumen wächst Moos und Lianen. Ich bin fasziniert. Unser weg schlängelt sich weiter den Berg hinauf. Leider ist es etwas feucht und rutschig. Zum Glück hab ich gute Schuhe an. Es ist echt ein Aufstieg, wie man ihn aus den Indianer-Jones-Filmen kennt. Durch Lianen, über umgestürtzte Bäume am Rand des Bach entlanghantelndt, auf rutschigen Steinen balancierend machen wir unseren Weg weiter den Berg hinauf. Bis jetzt ist noch keiner gestorben. Sehr gut. Und dann die erste Überrasschung.

Wir stehen vor einem kleinen Wasserfall, mitten im Urwald. Etwa 4 Meter hoch und einfach nur beeindruckend. Unten hat jemand Steine aufgeschüttet, so, dass sich ein kleines Becken bildet. Edwin ist ganz amüsiert von unserer Faszination. Er meint, wir sollten hier wohl noch nicht Halt machen. Es kommt noch besser. Also geht es weiter.

Neben dem Wasserfall klettern wir rutschige Felsen im 45°-Winkel nach oben, dann geht der Weg normal weiter. Noch ein kleiner Wasserfall erwartet uns. Wunderschön. Aber auch das ist noch nicht das, was uns Edwin zeigen möchte. Weiter wird geklettert und durch den Jungel geturnt. Irgendwie wird der Weg langsam etwas weniger, habe ich das Gefühl. Jetzt sind wir da. Beim dritten und schönsten Wasserfall. Edwin erzählt uns, dass er schon einmal bis hierhin gegangen ist. Er kennt diesen Ort also. Wir machen kurz Pause und schießen ein paar Fotos. Wenn ich pingponq die Fotos zur Verfügung stelle, vielleicht bekomme ich auf meinen nächsten Rucksack ja ein Bisschen Rabatt.

Die Umgebung ist auf jeden Fall fantastisch. Dieser Wasserfall hat sogar so viel Druck, dass er als natürliches Massagegerät infrage kommen würde.

Die Sache ist nur die. Neben dem Wasserfall an der Steinmauer hängt ein Seil und das lässt mir keine Ruhe. Ich kann mich hier jetzt unmöglch baden, ohne zu wissen wo es da weiter geht. Als ich Edwin frage erzählt er mir, dass er auch noch nie weiter gegangen ist als bis hierhin. Umso spannender. Ich probiere probehalber den Aufstieg. Das Seil scheint zu halten, aber mehr als ein paar Knoten und eine wirklich rutschige Steinwand gibt es hier nicht um den 6 Meter Aufstieg zu bezwingen. Egal. Wir probieren das jetzt einfach und los gehst. Edwin vor. Dann Julia. Alles gut gegangen. Jetzt ich. Vorsichtig steige ich Schritt für Schritt die Steinwand hinauf. Wichtig ist, seine Füße im richtigen Winkel zu belasten, dann rutscht man nicht ab. Ein fantatsisches und gruseliges Gefühl zugleich. Plötzlich verliere ich den Halt. Bin wohl auf das falsche Moos gestiegen. Aber ich fange mich zum Glück sofort wieder und komme ohne große Verletzungen oben an. Was mich da erwartet kann ich fast nicht glauben.

Wir stehen vor einem vierten, noch größeren und beeindruckenderen Wasserfall, der uns in ein kleines Becken entgegenstürzt. Ich schätze ihn auf etwa 10 Meter höhe. Das ist es. Wir sind endlich am Ziel.

Immernoch in Ehrfurcht vor dem Naturspektakel packen wir unsere Jause aus. Jetzt wird erst Mal etwas gegessen und getrunken. Der Weg geht zwar weiter, aber das nehmen wir uns für ein anderes Mal vor. Da müssen wir früher weggehen, sagen wir uns.

Jetzt hört sogar der Regen langsam auf und ich kann die Drohne steigen lassen. Das Ergebnis sind unglaubliche Bilder und Momente. Ich hätte nie gedacht, was dieser Wald so alles zu bieten hat. Ein Magischer Ort. Es würde mich nicht wundern, wenn uns hier der eine oder andere Waldschrat über den Weg läuft oder vielleicht eine Elfe, die hier ihr Zuhause gefunden hat.

In Unterwäsche stellen wir uns unter den Wasserfall und lassen das kühle Nass auf unsere Köpfe und Körper fallen. Es ist ganz schön kalt, aber wir sind zum Glück vom Aufstieg noch genug aufgeheizt. Einfach nur fantastisch. Handtücher haben wir zwar keine, aber das ist uns egal. Es regnet so oder so und wir müssen dann eh unser ganzes Zeug zu Hause waschen.

Nach einer halben Stunde Plantschen und Jausnen beginnt leider wieder der Regen. Das ist unser Zeichen, sagen wir uns und machen uns auf den Heimweg. In etwa so schwierig wie der Aufstieg gestaltet sich auch der Abstieg. Einen falschen Tritt und man saust richtung Bach, der teilweise drei Meter unter uns fließt. Kurz habe ich schon befürchtet, dass wir Julia verloren haben. Aber sie ist zum Glück nur ein kleines Stück abgestürzt und hat sich nicht viel verletzt. Ohne Regen wäre diese Runde sicher leichter gewesen. Naja. Nächstes Mal dann.

Vollkommen durchnässt, dreckig und fertig kommen wir am frühen Nachmittag zu Hause an. Eine Dusche und eine heiße Schokolade helfen beim wieder warm werden. Hoffentlich bekommen wir irgendwann unser Zeug wieder sauber. Aber auch wenn nicht: das wars auf jeden Fall wert!

3 Kommentare

  1. Franz

    Durchhalten ist die Devise…….Neugierde ist der Motor……denn am Ende des Regenbogens wartet das Glück….
    Es ist wunderschön so unvergessliche Momente zu erleben, genieße die Zeit in der Du diesen Weg beschreitest…..
    Ich wünsche Dir noch viele dieser Ausflüge, Alles Liebe

  2. GERRIT

    Lieber Felix, auch wir haben manchmal Heimweh nach Dir, Deine Erzählungen helfen, dass wir Dich nicht so schrecklich vermissen. Und dann hilft, dass wir wissen dass es dir gut geht. Meistens jedenfalls.
    Danke für die Warnung, ich habe den Eintrag ganz alleine gelesen und sitze noch nicht im Flugzeug zu dir. Passt gut auf euch auf und genieße diese wunderbare Natur. Das wünsche ich dir

  3. Nathalie

    Lieber Felix,
    Danke für deine Berichte, Bilder und Videos! Es ist wirklich schön, deine Erfahrungen auf diese Weise miterleben zu dürfen. Du hast ein großes Erzähl Talent, es klingen so viele Nuancen an….
    Ich schicke dir ganz viele liebe Grüße und gute Gedanken!

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