4696 Meter
4696 Meter

4696 Meter

Lesedauer 7 Minuten

Wer hoch hinaus will, der muss früh aufstehen. So wie wir. Also naja. 07:00 ist eh noch erträglich. Wir machen uns also fertig und finden uns um 08:30 mit Astrid, ihrem Hund Luci, Edwin, Evelin, einer ihrer Schwestern und zwei Freundinnen in der Talstation der Seilbahn auf den Pichincha ein. Es geht los.

Wir steigen auf etwa 3000 Metern in die Seilbahn ein und auf etwa 4000 Metern wieder aus. Schon jetzt sind wir höher, als jeder Österreichische Berg.

Ich merke die Bergluft. Das Atmen ist etwas schwerer.

Aber das hält uns nicht auf. Die erste, sehr kurze Etappe führt uns zu den Schaukeln. Es ist ein fantastischer Aussichtspunkt, von dem aus man nochmal über ganz Quito sehen kann. Das Gefühl, in diesen Höhen zu schaukeln ist fantastisch.

Zu meinem Glück habe ich hier tatsächlich Empfang, denn ich habe vergessen die App für meine Drohne nach dem Neuafsetzen meines Handys herunterzuladen.. Nach einer halben Stunde Wartezeit kann ich noch ein paar Aufnahmen machen und weiter geht’s.

Der Weg ist relativ breit und ausgelaufen. Mich faszinieren die Furchen im Boden. Sie müssen wohl vom Wasser geformt worden sein, dass hier herunterkommt, wenn es einmal regnet. Fantastisch.

Wir kommen an einen weiteren Aussichtspunkt. Quito wird immer kleiner und kleiner und erstreckt sich lang und dünn über das ganze sichtbare Tal.

Langsam spüre ich die Höhe wirklich. Mein Kopf tut weh und das Atmen fühlt sich ein bisschen so an, als müsste ich die Luft durch einen dicken Schal ziehen.

Astrid und Luci beschließen umzudrehen. Astrid hat den Gipfel schon einmal erklommen und meint, einmal reicht. Später verstehe ich dann auch warum.

Nach etwa 2 Stunden Aufstieg auf einem angenehmen aber steilen Weg am Kamm kommen wir zu einem weiteren Aussichtspunkt. Langsam dämmert mir. Hier gibt es viele Aussichtspunkte. Hier verabschieden sich auch die beiden Freundinnen von Evelin. Sie werden den Aufstieg heute auch nicht mit uns machen.

Über Kletterpassagen bewegen wir uns an der Seite des Berges entlang. Stellenweise ist es garnicht so einfach hier guten Halt zu finden, aber wir machen einfach einen Schritt nach dem anderen.

Die Pflanzen hier oben sind fantastisch. Es gibt keine Bäume. Nicht einmal Latschen kann man finden. Nur hohes Gras, niedrige Flechtgewächse und Blumen. Wunderschöne Blumen.

Jetzt haben wir schon fast zwei Drittel geschafft. Langsam merke ich, dass meine Kräfte endlich sind. Ich hoffe, dass es nicht mehr weit zum Gipfel ist. Vielleicht war es eh besser, dass mir niemand gesagt hat, was da noch auf uns zukommt.

Nach einer kurzen Pause gehen wir weiter. Der Weg ist jetzt nurmehr ein Trampelpfad und es wechseln sich enge Pässe an Abhängen mit kurzen Kletterpassagen ab. Die Aussicht ist immernoch atemberaubend. Ich spüre meine Lunge.

Plötzlich hört unser Trampelpfad auf. Wir stehen vor einer riesigen Wand aus Sand. Sieht man nach oben, kann man schon den Gipfel erahnen, aber da sind wir noch lange nicht.

Alle 10 Minuten pausierend stapfen wir teilweise durch den Sand, teilweise daneben auf kleinen Steinen den Hang hinauf. Ich habe es schwer zu atmen. Wir befinden uns schon auf etwa 4500 Meter Höhe.

Als wir den Sandhang erfolgreich hinter uns gelassen haben, machen wir noch eine längere Pause. Wir sind alle ziemlich fertig. Langsam habe ich das Gefühl, dass den Aufstieg auch die Eingeborenen nicht mehr so einfach wegstecken.

Vor uns gibt es keinen Weg mehr. Nurmehr Steine. Ich habe mich natürlich vorher gut über unsere Route informiert. Da müssen wir jetzt rauf.

Schritt für Schritt, Stein für Stein klettern wir nach oben. Alle 10 Meter eine Pause. Mehr geht einfach nicht. Noch ein Stein und Noch ein Stein. Mehr kann mein Scheindliger Kopf in dem Moment nicht mehr denken. Kletterte ich zu schnell, dreht sich alles und ich muss wieder Pause machen. Also lieber gleich langsam.

Mehr als einmal passiert es mir, dass ich in einer Sackgasse Lande und wieder umdrehen muss. Dieses letzte Stück kommt mir wie eine halbe Ewigkeit vor. Schwer atmend frage ich zwei Bergsteiger die gerade absteigen, wie weit es denn noch ist. Nicht mehr weit, sagen sie mir. Das gibt mir die Kraft für die letzten Meter.

Mit fast letzter Kraft hieve ich mich und meinen Rucksack auf das Plateau. Geschafft. Ich bin tatsächlich auf 4696 Metern Höhe angekommen und stehe am Gipfel des Rucu Pichincha.

Die Aussicht ist fantastisch. Man sieht Quito in seiner vollen Pracht sich über das Tal erstrecken. Die Berge um uns herum stechen in den Himmel und kratzen die Wolken, während sie über sie hinwegziehen.

Ich spüre die Anstrengung noch immer, aber das Gefühl des Gipfels belohnt mich dafür.

Ich möchte gerade etwas zu essen auspacken da sehen wir, wie aus dem Tal mit einem affenzahn Wolken uns uns auf den Gipfel ziehen. Innerhalb von Minuten ist die Sicht komplett verdeckt von Nebel und Wolken. Es ist kalt. Wir müssen runter.

Schade, ich wäre gerne noch ein Bisschen oben geblieben, aber mit dem Wetter lege ich mich doch lieber nicht an. Also alles Essen wieder in den Rucksack und auf geht’s hinunter.

Die Kletterpassage ist bergab nicht unbedingt leichter als bergauf. Zudem tut mir mein Kopf mittlerweile schon so stark weh, dass mir das Konzentrieren erheoch viel schwerer fällt als sonst.

Bin ich zu schnell, spüre ich meine Lunge. Das Einatmen tut weh. Nicht schlimm, aber ich spüre, dass etwas anders ist als sonst.

Der Sandhang ist der wohl lustigste Teil des Abstiegs. Wir rutschen auf unsere Füßen den Sand hinunter. Es fühlt sich fast an wie fliegen. Unten angekommen schüttle ich gefühlt den halben Berg aus meinem Schuh.

Weiter geht es über die Kletterpassagen. Mir tut alles weg, aber aufgeben ist nicht.

Wir haben gerade die steilen Steinwände hinter uns gelassen, da fängt es an zu regnen. Ich bin sehr dankbar, dass wir jetzt nicht mehr über irgendwelche rutschigen Felsen klettern müssen.

Es donnert. Ach du kacke. Aber schneller geht es nicht. Zumindest nicht für mich und Julia. Unsere ecuadorianischen Freunde legen ganz schön vor. Auch ihnen dürfte der Donner nicht ganz geheuer sein.

In schnellem Schritt steigen wir weiter hinunter und erreichen nach einer gefühlten Ewigkeit endlich wieder die Schaukeln. Dort in der Nähe gibt es eine Hütte, in der wir jetzt endlich unser Essen essen, das ich schon den ganzen Tag in meinem Rucksack mitschleppe.

Als wir uns hinsetzen merke ich erst, wie fertig die anderen sind. Dieser Aufstieg hat uns ganz schön herausgefordert. Aber jetzt sind wir fast unten und gönnen uns erst mal ein Bisschen Knäckebrot und gebrannte Erdnüsse. Auch wenn ich vorher schon ziemlich geflucht habe über die extra Kilo sind jetzt doch alle sehr dankbar dafür, dass wir etwas zu knabbern haben.

Als der Regen ein Bisschen nachlässt machen wir uns auf den Weg zur Seilbahn. Geredet wird nurmehr das Nötigste. Wir wollen alle einfach nurmehr nach Hause.

Wer jetzt denkt, hier wären die Anstrengungen zu Ende, der hat leider falsch gedacht. Uns erwartet nämlich beim Einstieg in die Seilbahn eine ganz besondere Überraschung. Eine Menschenschlange in einem Ausmaß, das ich schon lange nicht mehr erlebt habe.

Anscheinend wollen aufgrund des Wetterumschwungs alle gleichzeitig wieder ins Tal. Vor der Seilbahn stehen also etwa 400 Menschen, die alle auf eine Talfahrt warten. Die Schlange reicht mindestens 200 Meter in die Botanik und wir müssen uns ganz hinten anstellen.

Zu unserem besonderen Glück fängt es jetzt auch noch an zu regnen. Müde, nass, frierend und komplett fertig stehen wir fast eine ganze Stunde im Regen und anschließend noch einmal eine dreiviertel Stunde unterdacht, bis wir endlich in die Gondel einsteigen können. Auf meine Schere Stein Papier Einladungen reagieren die anderen anstehenden nicht. Alle sind müde und wollen nur nach Hause.

Unten angekommen rufen wir uns ein Uber, welches uns nach fast noch einer weiteren Stunde endlich bei Astrid absetzt.

Das wars. Vollkommen am Ende falle ich in mein Bett, in der Hoffnung, dass morgen alles ein Bisschen weniger weh tut.

Während mein Kopf langsam abschaltet habe ich noch die Bilder der Tages im Kopf. Auf den Steinen, im hohen Gras und am Gipfel.

Mir tut zwar alles weh, aber wert war es das Erlebnis auf jeden Fall.

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