Die rote Rübe
Die rote Rübe

Die rote Rübe

Lesedauer 3 Minuten

Zum gefühlt dreihundertfünfundzwanzigsten Mal nehme ich mir jetzt vor wieder öfter in meinen Blog zu schreiben. Es tut mir nämlich gut meine Gedanken hin und wieder zu bündeln und niederzuschreiben. Abgesehen davon gehen meine Leser:innen mittlerweile anscheinend schon bei Julia Fremdlesen.. Solche Schlawiner:innen..

Kurze Erklärung zum Titelbild: Wir sind mittlerweile so weit mit unseren Tela-Klassen vorangeschritten, dass wir uns schon von der Brücke baumeln lassen können. Es macht mir riesengroßen Spaß. Hoffentlich kann ich mir in Kolumbien meine eigene Tela besorgen (Da kosten sie laut Edgar, unserem Lehrer, nämlich nur ein Drittel der Ecuadorianischen Preise).

Sorry Mama.. Das musst du leider aushalten.. Aber keine Sorge, ich passe gut auf mich auf.

Aber eigentlich wollte ich von einer Begegnung erzählen, die mir heute passiert ist. Folgende Geschichte:

Das Mittagessen ist in SALEM immer ein ziemliches “relajo”, wie man hier sagen würde. Übersetzt bedeutet das in dem Kontext soviel wie Chaos und Anarchie. Essen, das durch die Luft fliegt und Melenzanis, die aufs härteste von den Kindern Beukottiert werden. Ein Riesenspaß also, könnte man sagen. Die Regel ist aber, dass alles was auf dem Teller ist aufgegessen wird. Am Ende nehmen sich die Kinder ja auch selber das Essen und wegschmeißen wollen wir nichts. Mein kleiner Freund hat sich aber heute leider ein bisschen zu viel genommen und sitzt schon die letzte halbe Stunde mit einem drei Tage Regenwetter-Gesicht vor seinem Teller. “Ya no avanzo”, sagt er, was soviel heißt wie “Ich kann nicht mehr”. Sowas blödes. Nach einer weiteren viertel Stunde Verhandlung einigen wir uns auf die letzte Instanz: Das Essen wird bis zum Tagesende aufgehoben, damit er es dann essen kann. Nagut. Also abgedeckelt und in der Küche abgestellt.

Zu seinem Pech erinnere ich mich beim Abschließen an unsere Abmachung und fische mir den kleinen gerade noch bevor er gehen kann aus dem Garten.

Gemeinsam marschieren wir zum Tisch und ich stelle ihm den Teller hin “¡Es que no puedo, Felix!” (Ich kann einfach nicht), sagt mir der kleine. Wir diskutieren und diskutieren. Keine Chance, auch nur eine einzige Gabel in dieses Kind hineinzubekommen, dabei hat er mich eh schon auf nur ein Drittel seines Tellers runtergehandelt. Eva, meine Mitfreiwillige kommt mir zu Hilfe. Sie findet heraus, dass es die rote Rübe ist, die er hasst wie die Pest. Ganz schlimm. Sie durchsucht den Teller. Eine ist tatsächlich dabei. Tragisch, sag ich euch.. Dann plötzlich springt der kleine auf. Er hat seine Chance gesehen und nutzt sie, indem er zur Türe sprintet. Kurz überlege ich, ob ich ihm nachlaufen soll, befinde es dann aber für unsinnig. Weg ist er. Wir, mittlerweile vier Pädagog:innen stehen etwas verdutzt, aber auch erheitert im Comedor. Damit hätten wir nicht gerechnet. Den sehen wir heute wohl nicht mehr.

Zwei minuten vergehen, bis unser Musikprofessor ein Augenpaar über die Türe lugen sieht. Jetzt sehe ich es auch. Ganz vorsichtig späht mein kleiner Freund uns entgegen und schält sich schlussendlich doch noch aus der Deckung der Türe. Etwas betreten schlendert er uns entgegen. Er weiß leider ganz genau welche Regeln in SALEM gelten. Damit haben wir nicht gerechnet. Ein kleines Theater später finden Eva und er noch einen Saft in unserem Kühlschrank. Damit lässt er sich tatsächlich überreden, die grauslige rote Rübe runterzuspülen. Geschafft. Teller Abwaschen und schnell web. “Darf ich jetzt endlich gehen?”, fragt er Eva mit hoffnungsvollem Blick. “Ja, jetzt darfst du gehen” sagt sie, während der kleine glücklichst mit seinem Rucksack über den Steinweg in Richtung Ausgang hüpft. Was für ein Abenteuer.

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